Flüssiggas „Flüssiggas bleibt als Übergangskraftstoff eine interessante Alternative“

Angesichts hoher Benzin- und Dieselpreise wächst das Interesse an Antriebsalternativen weiter. Entsprechend entscheiden sich wieder mehr Käufer für einen Flüssiggas-Antrieb. Autogas-Lobbyist Jobst-Dietrich Diercks über die Hintergründe. Anbieter zum Thema Erdgas- und Flüssiggas-Fahrzeuge haben nach einem kleinen Boom in den 2000er-Jahren eine Durststrecke zurückgelegt. Speziell die Flüssiggas-Modelle (LPG) sind aber derzeit wieder stärker gefragt: Ihr Anteil an den Neuzulassungen nähert sich der Ein-Prozent-Marke. Was hinter dem neuen Boom steckt, erläutert Jobst-Dietrich Diercks, Vorsitzender des Deutschen Verbands Flüssiggas, auf Anfrage von »kfz-betrieb«.

Der Marktanteil von neu zugelassenen LPG-Fahrzeugen ist deutlich gestiegen und liegt bei knapp einem Prozent. Woher kommt dieser Boom – in den 2010er-Jahren war das Interesse der Konsumenten doch dauerhaft rückläufig?

Jobst-Dietrich Diercks: Für 70 Prozent der Autofahrer sind die Energiekosten ein wichtiges Argument beim Kauf eines Neuwagens. Dass die Energiekosten beim Neuwagenkauf weiter an Bedeutung gewinnen, zeigen auch die steigenden Neuzulassungen von Autogas-Fahrzeugen. Im März 2022 wurden laut KBA in Deutschland 1.745 Pkw mit Autogas-Antrieb neu angemeldet. Damit sind die Zahlen im Vergleich zum Vorjahresmonat stark gestiegen. Bereits 2021 konnten die Neuzulassungen von Autogas-Fahrzeugen im Vergleich zu Vorjahr um 55 Prozent zulegen.

Nach einer langen Zeit der steuerlichen Begünstigung an der Zapfsäule sollten die Vorteile bis Ende 2022 schrittweise zurückgeführt werden. Bleibt es dabei – oder ist der Kostenvorteil durch die steigenden Mineralölpreise inzwischen wieder relevant?

Durch den seit 1. Januar 2022 gestiegenen CO2-Preis für fossile Kraftstoffe ist der Kostenvorteil von umweltfreundlichem Autogas gegenüber Benzin noch größer geworden. Das wird voraussichtlich auch noch mindestens ein Autoleben lang so bleiben: Bei der EU-Reform der Energiesteuersätze will die EU-Kommission Flüssiggas – anders als Benzin und Diesel – bis 2033 als „Übergangskraftstoff“ steuerlich bevorzugen.

Flüssiggas ist derzeit als Ersatz für russische Erdgaslieferung im Gespräch: Hat diese Diskussion irgendeine Konsequenz für LPG als Auto-Kraftstoff?

Zunächst: Flüssiggas (LPG, Liquefied Petroleum Gas) ist nicht zu verwechseln mit verflüssigtem Erdgas (LNG, Liquefied Natural Gas), das als Ersatz für bisherige Erdgaslieferungen diskutiert wird sowie mit Erdgas (CNG, Compressed Natural Gas), das ebenfalls als alternativer Kraftstoff für Pkw angeboten wird. Die Versorgung Deutschlands mit Flüssiggas (LPG) ist schon heute praktisch unabhängig von Energieimporten aus Russland, international diversifiziert und dadurch dauerhaft sicher.

LPG-Fakten Vorteile von LPG als Kraftstoff

Im ersten Quartal 2022 kamen 5.065 Neuwagen mit LPG-Antrieb ab Werk auf die Straßen – damit hat sich die Zahl im Vergleich zum Vorjahresquartal fast vervierfacht. Der Marktanteil beträgt aktuell 0,8 Prozent. Was spricht für die Technik?

  • Umweltfreundlich: Der emissionsarme Energieträger Autogas emittiert pro Energieeinheit im Vergleich zu Benzin 21 Prozent weniger CO2, im Vergleich zu Diesel 23 Prozent weniger CO2. Bei der Verbrennung im Fahrzeugmotor entstehen so gut wie kein Feinstaub oder Stickoxide. Konkret sind es bis zu 99 Prozent weniger Feinstaub als bei benzinbetriebenen Fahrzeugen und ein 50stel der Stickoxid-Emissionen von Diesel-Pkw.
  • Kostengünstig: Im Schnitt liegen die Energiekosten für Autogasfahrzeuge der Mittel- und Oberklasse bei nur 5,40 Euro/100 km – und sind damit auch geringer als für Elektroautos. Vor allem aber ist Autogas in diesen Segmenten um mehr als 50 Prozent günstiger als Benzin (Super:11,95 Euro bzw.11,55 Euro/100 km) und fast 35 Prozent günstiger als Diesel (8,17 Euro/100 km).
  • Flächendeckendes Tankstellennetz: In Deutschland können Autofahrer an mehr als 6.000 Tankstellen Autogas tanken. Das bedeutet: Den emissionsarmen Energieträger gibt es an jeder zweiten Tankstelle in Deutschland – dank des flächendeckend gut ausgebauten Netzes. Europaweit sind es über 47.000 Tankstellen, die Autogas anbieten.

Quelle: DVFG

Der LPG-Antrieb galt ja mal als umweltfreundliche Alternative zu Benzin und Diesel. Ist dieser Nimbus noch ein Thema?

Autogas-Pkw sind besonders für Vielfahrer eine kostengünstige und umweltfreundliche Alternative zu Diesel- und Benzin-Fahrzeugen. Der emissionsarme Energieträger Autogas emittiert pro Energieeinheit im Vergleich zu Benzin 21 Prozent weniger COz, im Vergleich zu Diesel 23 Prozent. Für Autogas ist der COz-Preis daher auch deutlich geringer als für die beiden anderen Kraftstoffe.

Neuwagen müssen immer schärfere Emissionsgrenzwerte einhalten bei COz, NOx und Feinstaub: Sind LPG-Fahrzeuge dazu mittelfristig in der Lage?

Autogas verbessert die Luftqualität insbesondere in Großstädten und Ballungsgebieten, denn bei der Verbrennung im Fahrzeugmotor entstehen so gut wie kein Feinstaub oder Stickoxide: Autogas verursacht bis zu 99 Prozent weniger Feinstaub als benzinbetriebene Fahrzeuge. Im Vergleich zu Diesel-Pkw wiederum fallen die Stickoxid-Emissionen bei Autogas-Fahrzeugen über 50 Mal niedriger aus.

Können Sie beziffern, welchen Kostenvorteil ein LPG-Fahrer im Vergleich zum konventionellen Benziner hat?

Im aktuellen Energiekostenvergleich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) schneidet Autogas pro 100 Kilometer Fahrstrecke in der Mittel- und Oberklasse am besten ab. Im Schnitt liegen die Energiekosten für Autogasfahrzeuge in diesem Segment bei nur 5,40 Euro/100 km. Besonders deutlich ist der Kostenvorteil von Autogas im Vergleich mit Benzinern und Diesel-Pkw. Siehe auch „Die Vorteile von LPG als Kraftstoff“

Für welche Kundengruppen ist LPG generell interessant und welche Gruppen entscheiden sich tatsächlich (wieder) für LPG?

Der umweltfreundliche Energieträger Autogas lohnt sich gerade für Vielfahrer und Pendler im ländlichen Raum, da hier die Ladeinfrastruktur für Elektromobilität in den kommenden Jahren noch nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen wird.

Flüssiggas (LPG)
Zusammensetzung und Eigenschaften

Flüssiggas (LPG) – nicht zu verwechseln mit verflüssigtem Erdgas (LNG, Methan) – besteht aus Propan, Butan und deren Gemischen und wird bereits unter geringem Druck flüssig. Der Energieträger verbrennt CO2-reduziert und schadstoffarm. Die erneuerbaren Varianten sind als biogenes Flüssiggas und als Dimethylether (rDME) verfügbar. Flüssiggas wird für Heiz- und Kühlzwecke, als Kraftstoff (Autogas), in Industrie und Landwirtschaft sowie im Freizeitbereich eingesetzt.

Stichwort Praxistauglichkeit: Wie ist die Versorgung mit LPG-Stationen im Inland, aber natürlich auch im europäischen Ausland?

In Deutschland können Autofahrer an mehr als 6.000 Tankstellen Autogas tanken. Das bedeutet: Den emissionsarmen Energieträger gibt es fast an jeder zweiten Tankstelle in Deutschland – dank des flächendeckend gut ausgebauten Netzes. Europaweit sind es rund 47.000 Tankstellen, die Autogas anbieten.

Im Jahr 2020 hatten nur noch Fiat, Renault und Dacia LPG-Fahrzeuge ab Werk im Programm. Hat sich die Angebotsbasis wieder verbreitert?

Diese drei Anbieter stellen auch weiterhin Autogas-Modelle ab Werk zur Verfügung. Für Vielfahrer rechnet sich auch die Umrüstung eines Benziners. Die Energiekosten für einen Mittel- oder Oberklasse-Pkw, der bei einer Jahresfahrleistung von 20.000 km und durchschnittlich 5,40 Euro/100 km mit Autogas betrieben wird, betragen 1.080 Euro. Für Super-Benzin mit durchschnittlich 11,95 Euro/100 km liegen sie bei 2.390 Euro. Autofahrer, die mit Autogas fahren, können so jährlich mehr als 1.300 Euro Energiekosten sparen.

In meiner Wahrnehmung ist LPG immer ein Privatkundenthema gewesen – wie sieht es mit leichten Nutzfahrzeugen aus?

Da sich Autogas besonders für Vielfahrer lohnt, würde sich die Umrüstung von Firmenwagen anbieten.

Einige Zeit war die Umrüstung von Benzinern auf LPG-Antrieb sehr beliebt und auch ein wesentliches Geschäft für spezialisierte Werkstätten. Ist das Thema überhaupt noch relevant?

Umrüstungen sind aktuell ein großes Thema, weil sie sich für viele Autofahrer rechnen. Die Umrüstungszahlen werden allerdings nicht in Statistiken erfasst, etwa vom Kraftfahrt-Bundesamt.

Quelle: kfz-betrieb.vogel.de